Vom Saulus der falschen Axiome zum Paulus des Zusammenfalls der Gegensätze
Der Aufruf des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom 2. Oktober, schnell eine „Philosophie der Komplexität“ zu entwickeln und in der Diplomatie anzuwenden, hat am Samstag, dem 25. Oktober, in gewisser Weise eine Antwort gefunden. Wenn wir als Ausweg aus dem gegenwärtigen Chaos eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur schaffen wollen, wie sie die Gründerin des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche fordert, dann ist eine solche komplexe Diplomatie eine Notwendigkeit, um die Menschheit zu erhalten und weiterzuentwickeln. Putin beschrieb diese in Valdai als „etwas ähnliches wie die Quantenmechanik, die klüger und in gewisser Weise komplexer ist als die klassische Physik. Schließlich sind lineare unilaterale Lösungen unmöglich, während nichtlineare und multilaterale Lösungen eine sehr ernsthafte, professionelle, unparteiische, kreative und manchmal unkonventionelle Diplomatie erfordern.“
Am 25. Oktober sprach Papst Leo XIV. auf dem Petersplatz vor Zehntausenden Menschen aus über 90 Ländern über Kardinal Nikolaus von Kues und dessen „Theologie der Hoffnung“ Samstagsaudienz: Die Katechese im Wortlaut – Vatican News:
„Sein Name war Nikolaus, und er stammte aus Kues in Deutschland: Nikolaus von Kues. Er kann uns lehren, dass Hoffen auch ,Nichtwissen’ bedeutet. Denn wie schon der heilige Paulus schrieb: ,Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht?’ (Röm 8,24). Nikolaus von Kues konnte die Einheit der Kirche nicht sehen, die von gegensätzlichen Strömungen erschüttert, zwischen Ost und West gespalten war. Und er konnte auch den Frieden in der Welt und zwischen den Religionen nicht sehen – in einer Zeit, in der sich die Christenheit von außen bedroht fühlte. Doch während er als Diplomat des Papstes auf Reisen war, betete er, und dachte nach. Und deshalb sind seine Schriften voller Licht.
Viele seiner Zeitgenossen lebten in Angst; andere rüsteten sich für neue Kreuzzüge. Nikolaus dagegen entschied sich schon in jungen Jahren dafür, die Nähe von Menschen zu suchen, die Hoffnung hatten; Menschen, die sich mit neuen Disziplinen befassten, gewillt waren, die Klassiker neu zu lesen und zu den Quellen zurückzukehren. Er glaubte an die Menschheit. Er verstand, dass es Gegensätze gibt, die zusammengehalten werden müssen…”
Die Coincidentia Oppositorum – der „Zusammenfall der Gegensätze“ – ist Nikolaus’ wichtigste Idee und zentrale Idee, auf der eine „Diplomatie der Komplexität“ basieren muss.
1976 beschrieb der Ökonom und Staatsmann Lyndon LaRouche dies als Theorie der höheren Mannigfaltigkeiten in einem Artikel in der Zeitung New Solidarity. Der Titel ist beeindruckend: „Heuristische Anwendung der höheren Theorie der Mannigfaltigkeiten auf die aktuelle strategische und taktische Situation“; aber lassen Sie sich davon nicht einschüchtern. Denken Sie an das Wort „heuristisch“ im Zusammenhang damit, dass man eine Methode entwickeln muss, um durch die rigorose Konstruktion eines Gedankenexperiments eine Lösung für ein Problem zu finden, das scheinbar keine Lösung hat. Einsteins Gedankenexperimente zur Relativitätstheorie ermöglichten es ihm – und uns –, Probleme in Bezug auf Prozesse, die wir nicht direkt erleben können, zu visualisieren und somit zu lösen. Auf diese Weise gelangen wir über unsere Sinne hinaus zu einer höheren Ebene der Wahrheit.
Lyndon LaRouche schreibt in dem Artikel: „Wenn man vorschlagen würde, bestehende Regierungen zur direkten Umsetzung [der Internationalen Entwicklungsbank] zu zwingen, dann müsste diese Aufgabe formal gesehen unmöglich erscheinen. Wenn jedoch die Möglichkeit einer raschen Abfolge von vermittelnden Entwicklungen klar verstanden wird, dann steht uns keine solche Schwierigkeit im Weg, wie sie zunächst zu bestehen scheint.“
Der Beringstraßen-Tunnel ist ein Beispiel für eine solche höhere komplexe Diplomatie.
„Plötzlich“ wird eine Idee, die ein Jahrhundert lang als unmöglich oder undurchführbar galt, als durchaus „machbar“ beschrieben. Mit dem Vorschlag des Beringstraßen-Tunnels als diplomatisches Werkzeug zur Neugestaltung der realwirtschaftlichen Beziehungen – nicht nur zwischen den USA und Russland, sondern auch zwischen China und Japan, Nord- und Südkorea und sogar den Vereinigten Staaten und Kanada – kann „plötzlich“ ein völlig anderes Pazifikbecken geschaffen werden als das, was die Kriegspartei entworfen hat, obwohl das vor kurzem noch unmöglich schien.
In einem anderen Bereich wird der jüngste Test Russlands mit der nuklear angetriebenen Rakete „Burevestnik“ (Sturmvogel) eine andere Diskussion über die Notwendigkeit einer Diplomatie höherer Ordnung erzwingen. Diejenigen, die behaupten, Russland könne eine solche Technologie unmöglich entwickeln, sollten bedenken, dass Präsident Putin schon vor acht Jahren, im März 2018, erstmals öffentlich über solche Technologien gesprochen hat. Man bedenke, wieviel Zeit für die Entwicklung der Atombombe im Rahmen des Manhattan-Projekts benötigt wurde, deren Bau vorher auch als unmöglich galt.
Es ist an der Zeit, dass die Menschheit Kinderkrankheiten wie Krieg hinter sich lässt. „Entweder beendet die Menschheit den Krieg, oder der Krieg beendet die Menschheit“, sagte Präsident John F. Kennedy. Die Begegnung der Menschheit mit Nikolaus von Kues‘ „Zusammenfall der Gegensätze“ – einerseits der Vorschlag für einen Tunnel durch die Beringstraße und andererseits die Entwicklung immer tödlicherer Massenvernichtungswaffen – erfordert eine höhere konzeptionelle Lösung aus einer höheren Dimension. Die „Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur“ https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/11/30/zehn-prinzipien-fuer-eine-neue-internationale-sicherheits-und-entwicklungsarchitektur/ liefern diese Leitlinie. Ihre Umsetzung erfordert jedoch eine „Bekehrung“, eine Wende vom Saulus der falschen Axiome zum Paulus. Die öffentliche Aufklärungskampagne von Papst Leo XIV. über Nikolaus von Kues und die „belehrte Unwissenheit“ ist dafür ein guter Anfang.
Inhalt
NEUES PARADIGMA
- Kritikerin von EU, NATO und Israel gewinnt Präsidentschaftswahl in Irland
- Japan: politische Wende „vom Saulus zum Paulus“?
- Iran, Pakistan und Türkei wollen Eisenbahnkorridor wiedereröffnen
- Lula lobt Treffen mit Trump am 26. Oktober in Malaysia
- Vatikan News über Cusa: „Hoffen auf das, was noch nicht sichtbar ist“
STRATEGISCHE KRIEGSGEFAHR
- Putin: Russland hat atomgetriebenen Marschflugkörper „Burewestnik“ erfolgreich getestet
- Westliches Wunschdenken über Burewestnik
- Belgien: Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte würde den Krieg verlängern
ZUSAMMENBRUCH DES IMPERIALEN SYSTEMS
- Verleumdungskampagne gegen nigerianische Muslime
- Milei-Regierung gewinnt Parlamentswahlen in Argentinien
GESCHICHTE UND KULTUR
- Jahrestag der Uraufführung von Mozarts Großer Messe in c-Moll in Salzburg